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Eisen war ich …

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Das Versprechen von Eisen und die Kunst der Verwandlung

Am 29. Juli 1611 wurde im Albulatal in Graubünden ein Vertrag abgeschlossen. Er betraf die Bergwerke und das Hüttenwerk in Filisur. Die Vertragspartner waren auf der einen Seite eine Bündner Schmelzgenossenschaft, die sich aus dem Vikar Johann von Salis aus Samedan und den Vettern Niccolò und Ottavio Vertemate-Franchi aus Piuro zusammensetzte. Auf der anderen Seite zeichnete ein Friedrich Nußbaum aus Prag. Nußbaum sollte die Leitung der Bergwerke und des Schmelzwerks in Filisur übernehmen. Die Kunst jeden metallischen «Spiritus», wie es im Vertrag heißt, in festes Metall zu verwandeln, sollte in Filisur angewendet werden. Die potenziellen Erträge aus dieser Kunst sollten zu 5/6 den Gesellschaftern, «Gewerken» genannt, und zu 1/6 Nußbaum zustehen.1

Abb. 1: Vertrag zwischen der Bündner Bergwerks- und Metallhandelsgesellschaft und Friedrich Nußbaum vom 29.7.1611, Staatsarchiv Graubünden (StAGR) B 1893, Nr. 332, fol. 3.

Von Salis schien große Erwartungen in Nußbaum zu setzen, denn bereits sieben Monate später, am 6. März 1612, zeichneten er und Nußbaum in Filisur einen weiteren Vertrag, diesmal ohne die obengenannten Vertemate: Der Prager Schmelzexperte verpflichtet sich, sein «Secret» zur Erzeugung von zwei Mark Gold aus einer Mark Preis zu geben. Es wurde auch festgehalten, dass die Vertemate innerhalb eines Monats Partner dieses Handels werden könnten.2
Aus einem dritten Vertrag, der 10 Tage später in Schaffhausen unterzeichnet wurde, geht hervor, dass die Vertemate tatsächlich in den Handel eingestiegen sind. Es wird nun auch klar, um welches «Secret» es sich handelte: Nußbaum verfüge über eine Kunst, mit einem sogenannten «Spiritus Veneris» Eisen in Kupfer zu verwandeln. Die Verdoppelung des Ertrages von einer Mark Gold in zwei bezieht sich somit auf die Wertsteigerung durch die metallische Transmutation. Nußbaum sollte als Erlös 1/8 des Filisurer Jahresertrags erhalten, die Gewerken 7/8. Die Abrechnung solle quartalsweise erfolgen.3

Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich bei der Person Friedrich Nußbaum um einen Alchemiker. Aus den Verträgen geht hervor, dass die Gewerken große Hoffnungen in dessen Künste setzten und auch bereit waren, in diese zu investieren. Die Geschäfte in Filisur liefen schlecht. Ein Verfahren, das versprach, das reichlich vorhandene Eisenerz in Kupfer zu verwandeln, erschien den Gewerken äußerst attraktiv. Über den Ausgang der alchemischen Maßnahmen zur Ertragssteigerung finden sich im Staatsarchiv Graubünden keine Spuren. Ebenfalls im Dunkeln liegen die Herkunft sowie der weitere Werdegang des Alchemikers. Sicher ist jedoch, dass sich weder die in das Verfahren gesetzten Hoffnungen erfüllten noch das investierte Geld sich auszahlte. Ende 1615 hatte das Filisurer Schmelzwerk bereits über 4800 Gulden Schulden und im Herbst 1618 stiegen diese Schulden auf 10’000.4

Das Beispiel von Filisur ist kein Einzelfall. Besonders seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert nahmen alchemische Praktiken im Kontext des Bergbaus eine besondere Rolle ein.

Das Beispiel von Filisur ist kein Einzelfall. Besonders seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert nahmen alchemische Praktiken im Kontext des Bergbaus eine besondere Rolle ein. Ein wichtiger Grund dafür lag in der Krise des zentraleuropäischen Montanwesens, dessen Konjunktur seit den 1540er-Jahren rückläufig war. Die reichen Erzgänge waren erschöpft und sogenannte «arme Erze» (i. e. Erze mit einem geringen Metallgehalt) waren das Tagesgeschäft.5 Die Verhüttung dieser armen Erze war eine Herausforderung und trug dazu bei, dass zahlreiche Alchemiker aufgrund ihrer besonderen metallurgischen Expertise Anstellungen in Bergregionen fanden. Eine scharfe Trennlinie zwischen Alchemie, Schmelz- und Probierkunst lässt sich nicht ziehen.6

Alchemie und Bergbau

Metalle wurden als belebt, wandelbar, veränderbar und unerschöpflich wahrgenommen.

In der frühneuzeitlichen Literatur zum Berg- und Schmelzwesen nimmt die alchemische Auffassung der Entstehung der Metalle unter dem Einfluss der Planeten sowie des metallischen Wachstums in Analogie zu Pflanzen einen breiten Raum ein.7 In ihrem Wachstum würden sich die Metalle von unedlem zu Edelmetall entwickeln, mit Gold als Endstufe. Viele Gelehrte und Praktiker waren auch überzeugt, dass die Erze in der Lage seien, sich zu regenerieren, sobald die Bergleute die ausgebeuteten Gruben verließen. Metalle wurden als belebt, wandelbar, veränderbar und unerschöpflich wahrgenommen. Johannes Mathesius, ein Weggefährte Luthers und Pfarrer der Bergstadt St. Joachimsthal bringt diese Auffassung in einer seiner Bergpredigten auf den Punkt: «Wir Schulbergkleut / wolten das wort / Metal / lieber vom Kriechischen wort herfüren / das verandern oder verwandeln heisset […] Denn wie wir hernach hören werden /weyl auß einer geringen Bergkart / oder geringen ertz oder metall ein bessers wirdt mit der zeyt / und eins verwandelt sich in das ander / sollen die metal den namen daher bekommen haben8

Das Problem dieses in der Natur der Metalle angelegten Verwandlungspotentials war jedoch seine Langsamkeit. Um die Verwandlung ökonomisch profitabel zu machen, versuchten Metallfachleute, den natürlichen Wachstums- und Veredelungsprozess in ihren Werkstätten und Laboratorien künstlich und in kürzerer Zeit zu reproduzieren. Die Geburt und Veredelung der Metalle im Erdenleib und die alchemische Reproduktion und Beschleunigung dieser Vorgänge im Laboratorium waren aufeinander bezogen.9

Abb. 2: Die Arbeit der Bergleute im Erdenleib steht der Produktion des Alchemikers in der Retorte gegenüber. ETH-Bibliothek Zürich, Rar 8046, https://doi.org/10.3931/e-rara-34368 / Public Domain Mark.

Angesichts des naturphilosophischen Verständnisses von Metallen und Mineralien wird auch die Aufmerksamkeit, die Nußbaum mit seiner Kunst erzielte, nachvollziehbar. Die Alchemie funktionierte folglich als eine von mehreren Lösungsangeboten, um der Krise im Montanwesen und der Edelmetallknappheit zu begegnen.10

Abb. 3: Honauer wurde mit einem goldflitterbesetzten Gewand am 2.4.1597 an einem 12 Meter hohen eisernen Galgen erhängt: Hendrik Goltzius (frühere Zuschreibung), Hinrichtung Georg Honauer, 1597. British Museum, Nr. 1854,0628.128. CC BY-NC-SA 4.0.

Häufig war die Ausgangsressource, auf dem die alchemische Kunst aufzubauen versprach, das kostengünstige und omnipräsente Metall Eisen. So auch im Falle des Alchemikers Georg Honauer, der, nachdem sein Versprechen Eisen in Gold zu verwandeln missglückte, am 2. April 1597 mit einem aufwändig inszenierten Spektakel in Stuttgart hingerichtet wurde. Von seiner Hinrichtung zirkulierten zahlreiche Flugblätter. Das abgebildete Flugblatt erwähnt in einer direkt am Galgen angebrachten Vignette (Abb. 3):
«F[riedrich] G[raf] zuo würtemberg hat dieser alchemist zuo stutgart lassen becleiden mit goldt oder dergleich[en] und nochmals lassen aen eyne Eyßen galgen heneken er solt besser lernen gold machen oder solts gar bleyben lassen».

Eine Sichtweise, die die alchemischen Transmutationspraktiken auf eine Geschichte von Betrug und Hochstapelei reduziert, verkennt sowohl die wissensgeschichtliche als auch die ökonomische Komplexität, in die die alchemischen Praktiken eingebunden waren.11 Als Nußbaum und Honauer ihre Transmutationskünste anboten, existierte das Wissen über die Möglichkeit der Metalltransmutation seit Jahrhunderten. Ebenso wurde die Verwandlung von Eisen mit Hilfe einer Kupfersulfatlösung vielerorts praktiziert: Bereits im 11. Jahrhundert wurde dieses hydrometallurgische Verfahren in China zur Herstellung von Kupfer für die Münzherstellung angewandt.12 In Europa wurde die Zementkupferherstellung in der Alchemischen Literatur seit dem 15. Jahrhundert breit diskutiert und galt als Beweis für das Gelingen der Metalltransmutation. So liest man in der (Pseudo-)Paracelsischen Schrift, De Natura Rerum neun Bücher:
«Nun ist die transmutation der metallen eine große heimlikeit der natur und mag gar hart und schwerlich geschehen viler anstöß und hindernus halben iedoch ist solches mit nichten wider die Natur, auch nicht wider gotes ordnung […] mag aber ohne ein tinctur  oder den lapidem  philosophorum nicht wol geschehen […] Nun seind aber auch andere transmutationes der fünf unreinen Metallen als zu transmutiren das eysen in kupfer mag in vil weg geschehen».13

Abb. 4: Experiment im Garten mit Kupfervitriol und Eisen (Download der mov.-Datei bei Klick auf das Bild).

Heute verstehen wir die Bildung von Zementkupfer als eine elektrochemische Reaktion. Hervorgerufen durch einen Ionenaustausch elektrisch geladener Teilchen. Das im Kupfervitriol als Ion enthaltene Kupfer geht in elementares Kupfer über und schlägt sich am Eisen nieder. Bereits innerhalb weniger Sekunden wird dieser Niederschlag sichtbar (Abb. 4, Video (mov), download).

Zementation oder Transmutation?

Obwohl die frühneuzeitliche Zementkupferherstellung sich nicht an einem spezifischen Ort lokalisieren lässt – sie wurde in China, Peru und in vielen Montanregionen Europas durchgeführt – so treten dennoch drei Bergbauregionen im damaligen Niederungarn hervor: Schmöllnitz (Smolník), Herrengrund (Špania Dolina) und Neusohl (Banská Bystrica). Bereits in der Weltchronik von Hartmann Schedel aus dem Jahr 1493 wird der natürliche Prozess der Umwandlung von Eisen in Kupfer in den niederungarischen Bergregionen erwähnt: «Nw ist hungern ein fruchtper land. Da ist ein wasser flußlein in dem das eysen darein gesenckt zu kupffer wirdt».14

Abb. 5: Unterirdisches Wasserdepot zwischen den beiden Schächten; Ferdinando Luigi Marsigli, Danubius Pannnonico Mysicus, Vol. 3 (De mineralibus circa Danubium effossis reviews minerals in the Danube area), Den Haag, Amsterdam 1726, n. p.

Spätestens seit dem beginnenden 16. und bis ins 19. Jahrhundert betrieben die niederungarischen Bergorte die Zement-kupferherstellung im großen Stil. In Smolník wurde Wasser durch unterirdische, reichlich Pyrit enthaltende Gänge geleitet und in Behältnissen unter Tage gesammelt. Teilweise wurde dieses Grubenwasser noch zusätzlich mit Chalkopyrit angereichert, damit die Lösung «schärfer» wurde. Darauf wurde es an die Oberfläche gepumpt und dort in hölzerne Tröge geleitet, in denen Eisenschrott lagerte. Ferdinando Luigi Marsigli integrierte im dritten Band seiner insgesamt sechsbändigen Donaustudie eine Karte dieser unterirdischen Auffangbecken (Abb. 5). Zwei bis dreimal in der Woche wurde die kupferhaltige, schlammige Masse (Zement), die sich am Eisen und am Grund der Behältnisse bildete, entfernt und verhüttet. Auf diese Weise produzierte man in Smolník um 1520 bereits 40 Tonnen Kupfer.15

Durch den immensen Bedarf an Eisen für die Zementkupferproduktion wurde großflächig Alteisen gesammelt und gehandelt. Wirtschaftlich war die Herstellung von Zementkupfer vielversprechend, weil sie mit geringem finanziellem und personellem Aufwand verbunden war: Das Verfahren benötigte weder zusätzliche Energie in Form von Brennstoffen (außer für den Schmelzprozess) noch eine komplexe Infrastruktur. Auch an die Qualität des Eisens mussten keine besonderen Anforderungen gestellt werden. Die Folgen für die Umwelt dagegen waren bereits damals beträchtlich und sind es auch noch heute. Der Boden von Špania Dolina ist über weite Flächen kontaminiert, besonders treten die hohen Antimon- und Arsenwerte hervor.16

Bereits in zeitgenössischen literarischen Werken wurde das «curiose» und giftige Wasser beschrieben. Georg Daniel Speer (1636–1707) lässt seinen Protagonisten Simplicissimus über das «Ziment-Wasser» von Smolník sagen:
«[…] dieses Wasser leidet keinen Fisch / Krott / Otter / Mauß oder sonst etwas gifftiges oder was im andern Wasser leben mag / sondern muß gleich sterben / fält es auf ein Kleid so nimbts auch Schaden / trinckt einer ein kleines Bächer-Gläßlein voll / so muß er in einer halben oder viertel Stund einen Vomitum verrichten / es ist ein herbes Wasser / und nit gesund / doch wer etwas gifftiges innerlich oder Würme hat / dem ists gesund / tödtet solche und brauchen sie es auch zum obern Purgiren / steckt einer ein Messer / Gabel / Degen / Axt / oder sonst was Eysernes 2. oder 3. Vatter unser lang hinein / so bleibt es ihm etliche Jahr / wann ers nit schleiffen lässt / immer Kupffern / das Kupffer Ertz ist so schön gläntzend wie Gold / dessen ich auch etliche schöne Stücklein ohne Gefahr mit hinweg getragen».17

Die Forschung, die sich mit den ökonomisch-technischen Aspekten der niederungarischen Zementkupferproduktion befasst, hat die Verbindungen zwischen (Proto-)Industrie und Alchemie, beziehungsweise zwischen Zementation und Transmutation nicht thematisiert. Für die Zeitgenossen bildeten aber die Zementkupferindustrie und die alchemischen Praktiken der Metalltransmutation kein Gegensatz. Diesbezüglich sind gerade die Ausschnitte aus Edward Browns Reisebericht (1642–1708) über seine Reise durch Teile Ungarns und die Slowakei interessant. Über die Besichtigung der niederungarischen Bergwerke erstattete er der Royal Society detaillierte Berichte, die auch in den Philosophical Transactions publiziert wurden.18 Nach seiner Rückkehr publizierte er seine Reiseerlebnisse und Beobachtungen in A Brief Account of Some Travels in Hungaria […] also with some Observation on the Gold, Silver, Copper, and Quick-Silver mines (1673). Aus seinem Bericht über die Zementwasser in Špania Dolina wird deutlich, dass Brown den Verwandlungsprozess im Kontext einer kosmologischen Vorstellung deutete, die Metalle spezifischen Planeten zuordnete: Gold/Sonne, Silber/Mond, Kupfer/Venus, Eisen/Mars, Quecksilber/Merkur, Blei/Saturn.
«There are also two Springs of a Vitriolat Water which turn Iron into Copper, called the old and the new Ziment; these Springs lie very deep in the Mine, and the Iron is ordinarily left in the water fourteen days. These Waters are very profitable, seeing that the worst sort of Iron, and useless old Iron is hereby turned into the purest sort of Copper, which hath this commendation above other Copper to be more ductile, malleable, and easily melted; and I have melted it without the addition of any other substance, without difficulty […]. Of this sort of Copper I took a good quantity out of the old Ziment, and I took also a piece of Copper of the Figure of a Heart which had been layed in it eleven or twelve days before; having the same Figure, but as perfectly Iron then, as it is at this day Copper. Some will not have this to be a Transmutation of one Metal into another, but that this Water of the Ziment being saturated with a Vitriolum Veneris, and meeting with such a body so ready to receive it as Mars, it deposes Venus, who immediately insinuates her self so far into Mars, that she doth dividere & imperare, and at last she substitutes her own body, and precipitates that of Mars… This Operation which nature so curiously performs in the Mine , I have since seen attempted to be imitated by Art , and in my judgment successfully19

Brown hält seine Reflexion über die Vorgänge in einer affektgeladenen und poetischen Passage über die Vermählung von Venus mit Mars fest. Als weiteres Erlebnis in Špania Dolina berichtet er über die zahlreichen schönen Kunstgegenstände, die vor Ort hergestellt werden. Sie sind mit Sprüchen über den wunderbaren Verwandlungsprozess versehen. Er nennt ein Beispiel mitsamt englischer Übersetzung (Abb. 8).20

Abb. 8: Brown, A Brief Account, London 1673, S. 110 (screenshot via archive.org).
Abb. 9: Herrengrunder Tummler, 18. Jh., H 11 cm, D 8 cm. Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Inv. Nr. 030006380001.

Derartige Kunstgegenstände aus Kupfer erfreuten sich bei Reisenden einer großen Beliebtheit. Ihr Entstehungsdatum liegt vor allem im 17. und 18. Jahrhundert, woran auch deutlich wird, wie lange dieses Naturspektakel und die damit verbundenen Wahrnehmungen und Deutungen faszinierte. Heute sind diese Objekte in zahlreichen Sammlungen und Museen enthalten. Auch das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum besitzt eine ansehnliche Sammlung in seinem Depot. So etwa der «Herrengrunder Tummler» in dessen Mitte eine silberne Marsfigur auf einem Sockel steht (Abb. 9). Die Vignette nimmt auf den alchemischen Prozess der Verbindung von Eisen und Kupfer Bezug: «Mars cum Venere ligata».

Ein zweites, besonders aufwändig gestaltetes Objekt stammt aus dem späten 17. Jahrhundert (Abb. 10). Der Becher zeigt Mars, Venus, Bacchus und Sol in vier Ovalmedaillons mit den dazugehörigen Schriftbändern, auf denen folgendes steht:
«Marß war mein Erster Nohm / Bekandt an allen Orten», «Jetzt bin ich durch die Kunst / zur Weichen Venus worden», «Doch hatt die Sonne mir / ein schönes Kleidt gemacht», «Und die so durstig sind / Tränck ich mit Rebensafft». Auf dem Deckel steht «Eisen war ich», «Kupfer bin ich», «Silber trag ich», «Gold bedeckt mich» (Abb. 8, 10).21

Abb. 10: Klicke auf das Bild, um zur 3D Digitalisierung zu gelangen. Herrengrunder Deckelbecher, Kupfer, getrieben, graviert, vergoldet, spätes 17. Jh., 5,7 cm, L 7,7 cm B 6,4 cm, Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Inv. Nr. 030330876000.

An der Zementkupferproduktion sowie auch an den vor Ort verkauften Objekten wird deutlich, dass es zu kurz greift, in Bezug auf die Praktiken und den Handel mit mineralischen Ressourcen lediglich auf die wirtschaftlichen und technischen Aspekte zu fokussieren. Ebenso wichtig sind die mit den wirtschaftlichen Praktiken verflochtenen Wahrnehmungen, Versprechen und Hoffnungen. Verträge, wie diejenigen von Filisur, sind auch als Investition in Hoffnung zu begreifen. Sie fußen auf einem Versprechen, das der Alchemiker macht, aber das auch dem Material selbst innewohnt. Die Hoffnung materialisierte sich somit im Eisenerz. Das noch reichlich vorhandene Eisen wurde als Ressource wahrgenommen, die ein Potential in sich trägt, zukünftig Kupfer zu sein und diese Wertsteigerung auch in Gold und Silber auszuzahlen.



Empfohlene Zitierweise/Suggested citation: Tina Asmussen: Eisen war ich … Kupfer bin ich, Gold werd ich. In: Dies., Eva Brugger, Maike Christadler, Anja Rathmann-Lutz, Anna Reimann, Carla Roth, Sarah-Maria Schober, Ina Serif (Hg.): Materialized Histories. Eine Festschrift 2.0, 29/10/2021, https://mhistories.hypotheses.org/?p=4470.


Abstract

Copper objects from the Lower Hungarian mining towns of Neusohl and Herrengrund (today Banská Bystrica and Špania Dolina in Slovakia) enjoyed a particular popularity among travelers and collectors in the 17th and 18th centuries. While most of these objects are rather unspectacular on the first sight (therefore they are often only mentioned in passing), a closer consideration of the economic and epistemic contexts in which they originated will prove the contrary. Through the example of these objects, I will illustrate the connection between mining and alchemy and I will further reveal the material imaginaries of iron on a material, discursive and practical level.

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  1. Filisur, 29. Juli 1611, Staatsarchiv Graubünden (StAGR) B 1893, Nr. 332.
    Ich danke Lena Asrih herzlich für ihre genaue Lektüre dieses Blogbeitrags und ihre Hinweise. Ein großer Dank geht auch an die Alchemy-Community auf Twitter für ihre Hilfe bei der Suche nach Informationen zu Friedrich Nußbaum.
  2. Filisur, 6. März 1612, StAGR B 1893, Nr. 333.
  3. Schaffhausen, 16. März 1612, StAGR B 1893, Nr. 334.
  4. Peter Conradin von Planta, Der Bernina-Bergwerkprozess von 1459–1462 und die Bergbauunternehmungen des Johann von Salis 1576–1618, Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Graubünden 130 (2000), S. 54 und S. 60.
  5. Zur Konjunktur des Europäischen Bergbaus siehe Christoph Bartels, Strukturwandel in Montanbetrieben des Mittelalters und der Frühen Neuzeit in Abhängigkeit von Lagerstättenstrukturen und Technologie: Der Rammelsberg bei Goslar 1300–1470: St Joachimsthal im böhmischen Erzgebirge um 1580, in: Hans-Jürgen Gerhard (Hg.), Struktur und Dimension: Festschrift für Karl Heinrich Kaufhold zum 65. Geburtstag, Stuttgart 1997, S. 25–70; Ekkehard Westermann, Silberproduktion und -handel: Mittel- und Oberdeutsche Wirtschaftsverflechtungen im 15./16. Jahrhundert, Neues Archiv für sächsische Geschichte 68, 1 (1997), S. 47–65.
  6. Zur Rolle von Alchemie im Bergbau siehe besonders: Warren Dym, Alchemy and mining: Metallogenesis and prospecting in early mining books, in: Ambix 55,3 (2008), S. 232–254 und Rudolf Werner Sukoup, Chemie in Österreich: Bergbau, Alchemie und frühe Chemie, Wien, Köln, Weimar 2007.
  7. Weiterführend hierzu: Francesco Luzzini, Sounding the Depths of Providence: Mineral (Re)Generation and Human-Environment Interaction in the Early Modern Period, in: Thematic Section on Geological Agency in the Early Modern Period, hg. v. Tina Asmussen und Pietro D. Omodeo. Earth Sciences History 39,2 (2020), S. 389–480. https://doi.org/10.17704/1944-6187-39.2.389; John A. Norris, Early Theories of Aqueous Mineral Genesis in the Sixteenth Century, in: Ambix 54,1 (2007), S. 69–86. https://doi.org/10.1179/174582307X165434; John A. Norris, The Mineral Exhalation Theory of Metallogenesis in Pre-Modern Mineral Science, in: Ambix 53,1 (2006), S. 43–65. https://doi.org/10.1179/174582306X93183; David R. Oldroyd, Some Neo-Platonic and Stoic Influences on Mineralogy in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, in: Ambix 21,2–3 (1974), S. 128–156.
  8. Mathesius, Johannes. Sarepta oder Bergpostill. Sampt der Jochimßthalischen Kurtzen Chroniken. Nuremberg: Johann vom Berg and Ulrich Neuber, 1562, fol. 41v.
  9. Vgl. Horst Bredekamp, Die Erde als Lebewesen, in: kritische berichte – Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften 9,4/5 (1981), S.  5–37, hier bes. S. 19–22. https://doi.org/10.11588/kb.1981.4/5.9753.
  10. Gerade in Bezug auf die prekäre Finanzlage hat der Wirtschaftshistoriker Carl Wennerlind den wichtigen Beitrag der Alchemie hervorgehoben: Wennerlind zeigt auf, wie der Gelehrtenkreis um den englischen Gelehrten Samuel Hartlib in den 1640er-Jahren Alchemie als valables Mittel gegen die Problematik der Edelmetallknappheit anerkannte. Die Versuche der metallischen Transmutation scheiterten zwar, aber die Beschäftigung des Hartlib-Kreises mit Alchemie legte den Grundstein für die spätere Einführung der Kreditwährung im 18. Jahrhundert. Die Diskurse über neue alchemische Technologien zur Schaffung von materiellem Metallgeld trugen so in einer langfristigen Eigendynamik zur Entwicklung und Etablierung einer neuen Form von Geld bei. Carl Wennerlind, Casualities of Credit: The English Financial Revolution, 1620-1720, Cambridge MA 2011, 44–83.
  11. Zur Alchemie als «Geschäft» sind die richtungsweisenden Studien von Pamela Smith und Tara Nummedal. Pamela H. Smith, The Business of Alchemy: Science and Culture in the Holy Roman Empire, Princeton 1994; Tara Nummedal, Alchemy and authority in the Holy Roman Empire, Chicago 2007.
  12. Alexander Friedrich Jost, From Secret Knowledge to Mass Production: The Wet Copper Industry of Song-China (960–1279), Ph.D. thesis, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, 2014; T. N. Lung, The history of copper cementation of iron: The World’s first hydrometallurgical process from Medieval China, Hydrometallurgy 17 (1986), S. 113–129.
  13. Paracelsus, De natura rerum neun bücher, hg. v. Karls Sudhoff, Bd. 11, München, Berlin 1928, S. 309–403, hier S. 357.
  14. Hartmann Schedel, Chronica, Nürnberg: Koberger, 1493, CXXXVIIIIv.
  15. Pavel Hronček, Bohuslava Gregorová, Dana Tometzová, and Miloš Jesenský, Scientific journeys to one of the oldest copper cementation sites in Central Europe (Smolník, Slovakia), in: Hist. Geo Space Sci. 12 (2021), S. 179–196, hier S. 182.
  16. Andráš, Peter, Vojtech Dirner, Joszef Krnáč, Ingrid Turisová, Sherif Kharbish, and Giuseppe Buccheri, Speciácia Antimónu Ako Indikátora Toxicity Na Opustených Ložiskách Medi v Ľubietovej a Španej Doline, in:  Životné Prostredie 46,2 (2012), S. 81–83.
  17. Georg Daniel Speer, Ungarischer Oder Dacianischer Simplicissimus, Vorstellend Seinen wunderlichen Lebens-Lauff, Und Sonderliche Begebenheiten gethaner Räisen, o. O. 1684, S. 203.
  18. Vgl. Edward Brown, Concerning Damps in the Mines of Hungary and their Effects, in: Phil. Trans. 4, 965, (1669); Ders. Concerning the Copper-Mine at Herrn-ground in Hungary, in: Phil. Trans. 5, 1042, (1670); Ders. An accompt concerning the Baths of Austria and Hungary … , in: Phil. Trans. 5, 1044, (1670).
  19. Edward Brown, A Brief Account, London 1673, S. 203.
  20. Richard Seiskal-Paur hat insgesamt 264 solcher Sprüche gesammelt und publiziert. Richard Seiskal-Paur, Barockes Kupfer aus Herrengrund und ornamentale Vorlageblätter, hg. v. Gerhard Egger, Wien 1979.
  21. Ich danke Jessica Hornung und Michael Ganzelewski (beide Deutsches Bergbau-Museum Bochum) für die Bereitstellung der Objekte aus dem Depot und für die 3D Digitalisierung des Deckelbechers.

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